Startseite | Kontakt | Über uns

Artikel / Berichte

Trostani und Isolde
Magic Karten Beobachtungsliste 
Michael Diezel
27.09.2012
Nur noch wenige Tage, bis wir endlich die nagelneuen Karten aus Return to Ravnica zum ersten Mal in den Händen halten …
Meine Vorfreude ist ziemlich groß, erstaunlicherweise tatsächlich am meisten wegen dem ganzen Gildenstadt-Thema. Ich schätze, ich werde immer mehr zum fröhlichen Gelegenheitsspieler, der Freude daran hat, sich unter dem Banner seiner Gilde zu versammeln (natürlich mit der passenden Musik) und dann auf die Jagd nach Feinden zu gehen.


Zum Teil liegt das auch an dem Design der letzten Sets, die allesamt thematisch extrem wertvoll waren (beziehungsweise im Fall von Return to Ravnica sein werden), aber für Deckbau im Standard vergleichsweise wenig Spielraum boten (weil die Themen eben so klar vorgegeben sind). Return to Ravnica ist ein gutes Beispiel hierfür. Auffallend ist die starke Unterscheidung zwischen Einfarbigkeit und mehrfarbigen Goldkarten. Letztere sind – bis auf wenige Ausnahmen – einfach so viel besser, dass es schon fast weh tut. Theoretisch wird das natürlich dadurch ausgeglichen, dass sie schwerer zu wirken sind, da sie ja mehr Farben benötigen. Sobald allerdings genügend gute Doppelländer zur Verfügung stehen, klappt das in der Praxis nur noch bedingt. Ein Beispiel werden wir heute kennenlernen.

Um diesen Zwiespalt aus spaßigen Gildenkämpfen und gewisser Ernsthaftigkeit zu befriedigen, habe ich mir gedacht, dass ich einfach in den nächsten Wochen ein möglichst gutes Deck um den jeweiligen Gildenchef bauen werde. Diese sagenhaften Anführer (Isperia, Supreme Judge, Niv-Mizzet, Dracogenius, Rakdos, Lord of Riots, Jarad, Golgari Lich Lord und Trostani, Selesnya's Voice) sind durchweg spielbar und eignen sich somit perfekt für diesen Job.


Den Anfang macht diese Woche Selesnya. Zur Einstimmung kurz eine Beschreibung, was uns als weiß-grüne Magier erwartet: Das Selesnija-Konklave hält wie eine miteinander verbundene Seele Zwiesprache und widmet sich ganz der Verteidigung der Reinheit der natürlichen, fehlerfreien Ordnung.

Alles klar. Schauen wir uns nun ihren Anführer mal genauer an:


Trostani, die legendäre Dryade, kostet zunächst einmal , was ein erster interessanter Punkt für den Deckbau sein dürfte. So habe ich ja gerade angedeutet, dass es eine Menge Länder gibt, die recht gut eine Mehrfarbigkeit unterstützen, allerdings existieren zugleich verschiedene andere Länder, deren Stärke sich aus einer aktivierten Fähigkeit herleitet, während sie im Gegenzug nur farbloses Mana bereitstellen. Im Bereich unserer Farbkombination hat Gavony Township in den letzten Monaten durchaus eine gewisse Tauglichkeit unter Beweis gestellt und eine Armee zu pumpen, die sich hauptsächlich aus Masse rekrutiert, dürfte auch jetzt im Sinne der Populate-Fähigkeit sein. Trostanis Kosten wiederum verhindern ein wenig das Übermaß an solchen Ländern, weil man sonst mit größerer Wahrscheinlichkeit unter seinen ersten vier Mana eins dabei haben wird, was weder weiß noch grün ist.

Der nächste Punkt, den wir uns anschauen wollen, sind die Kampfwerte. Hier fällt zunächst die Fünf hinten positiv ins Auge. Eine solche Widerstandskraft sorgt für eine beachtliche Resistenz gegen diverse Zerstörungszauber. Rote Sprüche etwa dürften sich ganz schön die Zähne ausbeißen und auch ansonsten fehlen billige Antworten. Weniger beeindruckend ist die Stärke von zwei, das Zuschlagen werden also eher andere Kreaturen übernehmen müssen. Dazu passt auch der Lebenspunkteschub, der uns jedes Mal ereilt, wenn eine Kreatur auf unserer Seite das Spielfeld betritt. Entscheidend dürfte aber die Populate-Fähigkeit sein, die es uns erlaubt, mit nur einem Spielstein (und eben Trostani) eine komplette Armee zu erstellen. Um diese Eigenschaft möglichst gewinnbringend einsetzen zu können, schauen wir doch am besten einmal, wo genau wir unsere Spielsteine herbekommen:


Garruk, Primal Hunter, Garruk Relentless, Thragtusk, Selesnya Charm, Vitu-Ghazi Guildmage, Grove of the Guardian, Slime Molding, Armada Wurm, Call of the Conclave stehen zur Auswahl. Natürlich gibt es noch ein paar weitere, aber die sind entweder auf 1/1-Männer spezialisiert (womit Populate nicht ganz so beeindruckend aussieht) oder schlichtweg schlechter als die genannten. Auch so wird sehr schnell deutlich, dass Charm und Call of the Conclave die beiden einzigen verlässlichen Möglichkeiten darstellen, schon zu Beginn des Spiels einen relevanten Spielstein aufs Feld zu schicken. Das wiederum führt dazu, dass ich mich schwertun werde, gezielt weitere Populateeffekte zu integrieren. Die Betonung liegt auf „gezielt“, da ich es als Bonus gern mitnehme, allerdings muss die Karte eben auch ohne diese Fähigkeit schon sehr gut sein. Das wiederum trifft höchstens auf Trostani zu. Insofern werden wir die Dryade auch nicht wirklich ins Zentrum unseres Decks stellen können, sondern eher als nette Ergänzung betrachten. Dadurch wird natürlich die Lebenspunkte-Fähigkeit wieder wichtiger, was dazu führt, dass wir diversen Fettsäcken einen kleinen Vorteil einräumen. Unser Deck wird also nicht extrem offensiv sein (dem widerspricht Trostani); wie defensiv, das muss sich noch zeigen.

Mein erster Ansatz versucht entsprechend, all die superguten mittelgroßen Kreaturen der beiden Farben mithilfe von kleinen manaproduzierenden Kreaturen möglichst zeitig ins Spiel zu werfen und durch deren Schlägerqualitäten das Spiel zu gewinnen. Trostani gewinnt dabei das Wettrennen um die Lebenspunkte und erlaubt uns, unsere Defensive ein Stück weit zu vernachlässigen, um mehr Angriffskraft zu entfalten.


8 Forest
2 Plains
3 Gavony Township
4 Temple Garden
4 Sunpetal Grove
2 Selesnya Guildgate

2 Garruk Relentless
(Garruk, the Veil-Cursed)
1 Garruk, Primal Hunter
4 Selesnya Charm
4 Call of the Conclave
1 Oblivion Ring


2 Armada Wurm
3 Restoration Angel
3 Trostani, Selesnya's Voice
4 Thragtusk
3 Borderland Ranger
4 Arbor Elf
4 Avacyn's Pilgrim
2 Wolfir Avenger


Den gestellten Plan erfüllt dieses Konstrukt wirklich nahezu perfekt. Für jeden Bereich des Spiels hat man einen der bestmöglichen Männer des Formats. Die Ausnahme bildet ein bisschen die Kreatur für drei Mana, die aktuell mit Borderland Ranger und Wolfir Avenger eher solide als spektakulär besetzt ist. Eine scheinbare Alternative stellt der Neuzugang Loxodon Smiter dar. Leider spielte der sich in meinen Testpartien deutlich schlechter als die beiden Alternativen, was sich nur so erklären lässt, dass die gesteigerten Kampfwerte die Flexibilität der beiden anderen nicht ausgleichen konnten. Das liegt auch daran, dass man eben nicht das gepflegte Hau-drauf-Deck spielt, sondern eher über die Qualität der Einzelkarten ins Spiel kommt. Da diese sich eher in den hinteren Bereichen der Manakurve verstecken, helfen Ranger und Wolfir besser, diese auch zu erreichen. Das richtige Deck für den Smiter scheint entsprechend ein aggressiveres mit Rancor zu sein, doch das lässt sich leider nicht mit Trostani vereinbaren.


In dieser Konfiguration ist das Deck schon wirklich gut und wird sicher das eine oder andere Spiel gewinnen. Ein weiterer Pluspunkt ist die extreme Stabilität, da es ziemlich sicher immer wieder dasselbe machen kann und wird. Ein kleines Problem stellen hingegen Gegner dar, die versuchen, noch unfairere Dinge zu tun, weil man mit diesen nur bedingt interagieren kann. In solchen Fällen ist es dann meist so, dass der dickste Spruch gewinnt und – das mag komisch klingen – ich befürchte, dass Armada Wurm und Thragtusk noch lange nicht das Ende der Möglichkeiten sind.

Durchaus überzeugt hat hier übrigens der eher unauffällige Selesnya Charm, von dem alle drei Fähigkeiten durchaus häufig zum Einsatz kommen. Die wichtigste dürfte aber – eben aus dem gerade angesprochenen Mangel an Interaktion – die Entfernung eines besonders dicken Tiers sein.

Doch wie bekommen wir es nun hin, dass wir nicht doch noch irgendwie von stärkeren Karten besiegt werden? Ganz einfach, wir spielen selbst noch eine Runde teurer …


8 Forest
4 Plains
2 Gavony Township
4 Temple Garden
4 Sunpetal Grove
1 Selesnya Guildgate

3 Garruk Relentless
(Garruk, the Veil-Cursed)
4 Farseek


4 Armada Wurm
3 Restoration Angel
2 Trostani, Selesnya's Voice
4 Thragtusk
4 Borderland Ranger
4 Arbor Elf
4 Avacyn's Pilgrim
3 Angel of Serenity
2 Dawntreader Elk


Kreaturenrampe könnte man das Ganze nennen und in der Tat sparen wir uns die wenig beeindruckenden 2- und 3-Drops und starten direkt mit mehr Beschleunigung durch in die lächerlichen Bereiche von Thragtusk, Armada Wurm und Angel of Serenity. Gerade Letzterer ist ziemlich nah am legendären: „Huch, ich habe gerade gewonnen!“ Zunächst entfernt er bis zu drei feindliche Kreaturen vom Spielfeld. Das sollte im Kampf gegen Kreaturendecks doch nun wirklich ausreichen, um genügend Schaden durchzubringen. Selbst wenn der Engel schnell wieder abgerüstet wird, kommen die entfernten Kreaturen nur auf die Hand zurück und so ist es zweifelhaft, dass der Gegner es in nur einem Zug schaffen sollte, sowohl den Engel abzurüsten, als auch direkt die komplette Armee wieder auf den Tisch zu legen.


Doch damit sind wir erst am Anfang. Stellt sich die Gesamtsituation etwa so dar, dass nicht ein großer Kreaturenkampf direkt bevorsteht, kann man den Engel auch als prima Ressource gebrauchen. Einfach ein paar eigene Jungs aus dem Friedhof entfernen und schon steht der Gegner vor der schwierigen Wahl, sich entweder vom Engel selbst verprügeln zu lassen oder durch dessen Beseitigung gleich einen ganzen Schwarm anderer Bedrohungen zu animieren. Natürlich gehen auch Mischformen, beliebt ist zum Beispiel das Entfernen zweier gegnerischer Kreaturen vom Feld und eines eigenen Engels/Wurms.

Die Kombination aus Angel of Serenity plus den Defensivqualitäten von Thragtusk, Trostani, Selesnya's Voice und Co. sollte im Übrigen auch ausreichen um selbst die offensivsten Gegner ohne Verwendung von zusätzlicher Kreaturenzerstörung auf Distanz zu halten. Trotzdem fühle ich mich noch nicht so hundertprozentig wohl, da man so doch immer einigen Karten schutzlos ausgeliefert ist. Planeswalker zum Beispiel kann man zwar prima angreifen, allerdings werden gerade die blauen gern von diversen Massenvernichtern begleitet. Ebenfalls bedrohlich können sich einige Kreaturen zeigen, Falkenrath Aristocrat etwa, für den man eher wenige Antworten spielt. Oblivion Ring wäre somit sicher eine logische Option, jedoch sehe ich bislang nicht so richtig, wo der Platz herkommen soll. Aktuell gibt es außer der einfachen Mischung von Beschleunigung und Fettsäcken eh kaum Spielereien.

Ein Sideboard zu bauen, ist übrigens aktuell fast unmöglich, weil man noch überhaupt keine Vorstellung hat, was so auf einen zukommt. Trotzdem schon mal ein paar Karten, die ich in der engeren Auswahl hätte: Fiend Hunter, Oblivion Ring, Thalia, Guardian of Thraben, Rest in Peace, Slayer of the Wicked, Centaur Healer, Sundering Growth, Garruk Relentless und Garruk, Primal Hunter.

Alles in allem hat mich Selesnya erstaunlich begeistert. Man legt wirklich jede Menge richtig guter Karten aufs Feld und kann sich dann vergnügt anschauen, wie sich der Gegner abstrampelt, diese zu beantworten. Ein klitzekleiner Wermutstropfen bleibt allerdings: Zwischen all den total wahnwitzigen Karten wie Thragtusk, Armada Wurm oder gar Angel of Serenity, die allesamt im Alleingang ein Spiel gewinnen können, wirkt der große Anführer der Gilde, Trostani, Selesnya's Voice, eher ein wenig enttäuschend. Nicht, dass die Dryade keine gute Karte wäre, sondern mehr, dass der Effekt sich so wenig legendär anfühlt.

Insgesamt bin ich mir ziemlich sicher, dass es mindestens ein formatprägendes Deck auf der Basis der Selesnyafarben geben wird. Die Karten sind einfach so mächtig, dass man gar nicht anders kann. Ich befürchte ein wenig, dass dies jedoch ohne Trostani selbst geschehen wird. Da die Farbkombination wirklich nur für Kreaturen geeignet scheint, hat man drei Wege, um so ein Deck zu bauen: aggressiv, im Mittelfeld agierend und ganz auf Fettsäcke ausgerichtet. Wobei wir Aggro ja aufgrund der fehlenden Stärke der Dryade dort ausgeschlossen haben. Für Mittel- und Langstrecke hingegen würde wohl eine weitere Farbe bessere Dienste leisten, als dass man die anspruchsvollen Kosten von Trostani aufbringt.

Auf jeden Fall sollte man die Augen aber noch nach weiteren Spielsteinproduzenten offen halten. Mein persönlicher Favorit ist ja Geist of Saint Traft, dessen Engel per Populate zu kopieren, zweifellos ein Achievement ist. Apropos Geist of Saint Traft: In zwei Wochen schauen wir dann mal, was dessen neuer Chef, Isperia, Supreme Judge, so alles draufhat.

Bis dahin wünsche ich ein erlebnisreiches Prerelease!

Der MiDi