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Artikel / Berichte

Kick-Ass
Magic Karten Beobachtungsliste 
Michael Diezel
26.06.2014
Hallo, Sportfreunde!
Bei der Fußball-WM in Brasilien sieht man es gerade fast jeden Abend: Kleine, völlig unbedeutende Mannschaften vernichten die millionenschweren, wettkampferprobten Favoriten und haben auch noch Spaß dabei. Wäre es nicht schön, wenn Magic so ein bisschen wie Fußball wäre? Aber, wer sagt denn, dass es nicht möglich ist, aus wenig bis sehr wenigen Mitteln etwas Konkurrenzfähiges auf die Beine zu stellen? Gut, ich vielleicht, aber was weiß ich denn schon …

Versuchen wir es doch einfach mal mit so einer typischen Außenseiter-Taktik: Mit extrem stabiler Defensive den Gegner zur Verzweiflung treiben und dann vorne den Lucky Punch setzen. Und das Ganze für den Gegenwert von vielleicht drei Dönern.


Der Sturm

Der fähige Fußballfachmann weiß, echte Stürmer sind out. So auch bei uns: Gewinnen heißt zunächst einmal: nicht verlieren. Irgendwann wird der Gegner schon vor Entgeisterung zusammenschieben. Sollte er das wider Erwarten einmal nicht tun, haben wir noch eine wenig elegante und zugleich unglaublich langsame, aber hocheffektive Absicherung, nämlich Elixir of Immortality.


Jawohl, genau ein Elixier gewinnt unser Spiel. Das ist natürlich nicht ganz ungefährlich, da diesem besser nichts passieren sollte. Verliert man zum Beispiel das Würfeln und fängt sich im ersten Zug ein Thoughtseize ein, kann man mit etwas Pech direkt zum zweiten Spiel übergehen. Insofern ist das Elixier unser unantastbarer Star, dem besser nichts passieren sollte. Auf der anderen Seite ist das alles auch nicht so unendlich wahrscheinlich. Ein einmal liegendes Artefakt räumen momentan nur wenige Decks aus dem Weg, und solange man zwei Mana offen hält, sollte sowieso nichts passieren. Discard ist – wie angedeutet – potenziell am Gefährlichsten, allerdings muss der Würfelwurf eben verloren und das Elixier auf die Starthand gezogen werden. Selbst dann braucht es noch den Gegner, der uns die Eier zutraut, keine weitere Option auf das tatsächliche Gewinnen des Spiels mitmachen zu lassen. Ansonsten wäre er ja mit hoher Wahrscheinlichkeit geneigt, eine andere Karte zu nehmen, weil das Elixier schließlich annähernd nichts macht.


Der Spielmacher

Das Herz und Gehirn unseres Spiels ist Dictate of Kruphix – von mir schon mehrfach als großes Talent angekündigt!


Das Ding sieht so harmlos aus! Beide Spieler ziehen ganz fair eine zusätzliche Karte, das klingt doch, als würde es ein besonders actionreiches Spiel werden. Doch das ist ja gerade nicht unser Anliegen. Stattdessen versuchen wir Folgendes: Wir ziehen immer nützliche Karten, während der Gegner zunehmend unnützes Zeug ansammelt. Dieser Effekt wiederum wird durch das Dictate verstärkt, denn je mehr gute Karten wir ziehen, desto spürbarer dieser Effekt. Damit das so funktioniert, müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele Karten des Gegners wenig Einfluss aufs Spielgeschehen nehmen. Dies erreichen wir zum einen, indem wir selbst keine Kreaturen aufstellen und somit sämtliche Vernichtungszauber des Gegners völlig wertlos werden lassen. Zum anderen spielen wir diverse Defensivkarten, die im Idealfall dafür sorgen, dass die Kreaturen des Gegners lahmgelegt werden. Zu diesen Verteidigern gleich mehr. Diese sind zudem im Normalfall günstiger als eine anständige Offensive, sodass wir auch noch im Tempo vorlegen.


Der Sechser

Mit Staff of the Mind Magus geht es gleich weiter bei den Karten, an die vorher niemand gedacht hat, die jetzt aber unverzichtbar für unser Gesamtauftreten sind.


Die Aufgabe des Stabs ist die eines Abräumers vor der Abwehr: Er erstickt viele Angriffe schon im Keim. In unserem Deck bedeutet dies, dass mit der Zeit und diesem Stock so viele Zusatzlebenspunkte angesammelt werden, dass man kleinere Bedrohungen geflissentlich ignorieren kann. Das ist extrem wichtig, weil man einfach nicht auf jede einzelne Bedrohung angemessen reagieren kann. Nun habe ich selbst euch ja immer beigebracht, dass Effekte, die nichts machen, als Lebenspunkte zu generieren, normalerweise furchtbar sind, ganz besonders, wenn sie dies auch noch ineffektiv tun. Stimmt auch, aber erstens erfordern extreme Decks extreme Maßnahmen und zweitens ist das mit dem „ineffektiv“ so eine Sache. So versuchen wir die Partie ja außergewöhnlich in die Länge zu ziehen und dabei jede Menge Zusatzkarten ins Spiel zu bringen. Jede dieser zusätzlichen Karten ist eigentlich auch immer ein Lebenspunkt, sodass ein typischer Zug im späteren Spiel (mit sagen wir zwei Stäben und zwei Dictates) gern mal sechs bis acht Lebenspunkte einbringt. Das addiert sich sehr schnell auf, zumal man große Teile der restlichen Karten und des übrigen Manas dazu verwendet, den Spielaufbau des Gegners zu (zer)stören.


Die Abwehr

Ich habe jetzt so oft von unseren Defensivmaßnahmen gesprochen, dass es Zeit wird, auf sie zu sprechen zu kommen. Wir unterteilen sie dabei in Kontermagie und Bouncesprüche, für die immer noch ein deutscher Begriff fehlt (Rückrufzauber?). Oder um in der Fachsprache zu bleiben: Tacklings und Blutgrätschen.


Dissolve ist klar der beste Gegenzauber, der uns zur Verfügung steht. Dass ein solcher Effekt mal ein Mana billiger war, daran erinnern sich nur noch Nostalgiker und Hellsicht 1 ist eben auch gut. Syncopate mag ich eigentlich überhaupt nicht, da das Ding mit zunehmender Spieldauer immer schlechter wird. Und wir wollen ja nahezu für immer spielen. Allerdings ist es zu Beginn einer Partie superstark und gerade da haben wir ansonsten Schwächen. Negate ist so eine Art Libero, der uns dann retten soll, wenn doch mal etwas durchrutscht. Zugleich ist dieser spezielle Gegenzauber auch unglaublich wichtig gegen andere defensiv stehende Gegner.


Unsere drei Kanten in der Abwehr, die zwar nichts können, aber aus irgendeinem Grund trotzdem ihren Job erledigen. Allesamt sind unbeweglich und von einem halbwegs intelligenten Gegner auch recht einfach zu umspielen, da der Rest aber so gut mit ihnen harmoniert, reicht ihre individuelle Klasse dann doch. Die genaue Verteilung wurde übrigens nicht von mir ausgewürfelt, sondern tatsächlich ausprobiert. Die theoretischen Gedanken:

Blustersquall ist an sich die furchtbarste Karte, mit der ich je in einem Constructed-Deck gespielt habe. Aber sie ist zuverlässig, in dem was sie tut (was nicht viel ist) und kann auch mal ohne Overload gespielt werden.
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Ratchet Bomb ist so etwas von langsam, dass es kaum in Worte zu fassen ist. Auf der anderen Seite ist Removal immer Removal und in Monoblau werden wir nichts Besseres finden. Zufällig übrigens eine nette Antwort auf einen der Endgegner: Mistcutter Hydra, da diese im Spiel immer Manakosten 1 hat, egal, ob zwei oder 22 Marken auf ihr liegen.
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Ætherize ist die Karte mit der höchsten Varianz, da sie beim Funktionieren eine Art Cyclonic Rift für vier Mana darstellt. Verkneift sich der Gegner allerdings den Angriff mit der kompletten Mannschaft, geht es steil bergab mit der Effektivität. Der beste Mitspieler ist dabei Staff of the Mind Magus, der den Gegner recht schnell dazu zwingt, mit immer mehr Männern ins Verderben zu rennen, weil eben zunehmend mehr Zusatzlebenspunkte egalisiert werden wollen.


Der Torwart

Wenn nichts mehr geht, ist Cyclonic Rift zur Stelle:


Hält einfach – mit Ausnahme von Mutavault – alles (auf).


Die Außenspieler

Der kritische Fußballfan kennt das Problem: Die Abhängigkeit der Mannschaft von einem entscheidenden Spieler: Neymar, Messi oder eben Dictate of Kruphix. Deswegen haben wir zwei Alternativen installiert, um unser Spiel am Laufen zu halten, wenn dem Dictate mal etwas passiert (Discard, Gegenzauber oder einfach ein Nicht-gezogen-Werden):


Beide Karten allein reichen allerdings im Normalfall nicht aus, um uns dauerhaft im Spiel zu halten. Meist zieht man sich mit ihrer Hilfe aber ausreichend zeitig ans nächste Dictate of Kruphix. Erneut gilt: Ganz sicher keine Sphinx's Revelation, aber im Mannschaftsgefüge absolute Schlüsselspieler.


Das Trainingslager

Unsere Manabasis ist so einfach wie nur irgend möglich. Jede Menge Inseln, die stabil blaues Mana generieren, enttappt ins Spiel kommen und sich nicht von Burning Earth beeindrucken lassen. Encroaching Wastes sind ein Überbleibsel aus meinem Kampf gegen das Mutavault, welches eine der gefährlicheren Karten aus gegnerischen Decks darstellt. Allerdings funktioniert es meist besser, diese zwischen Stäben zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen. Dass die überhaupt so problematisch sind, liegt übrigens an ihrer Immunität gegenüber Cyclonic Rift und Ratchet Bomb. Da sie nicht wirklich stören, habe ich Encroaching Wastes aktuell noch im Deck, immerhin könnte der Effekt ja mal benötigt werden.

Die Aufstellung

1 Elixir of Immortality
3 Opportunity
2 Ratchet Bomb
4 Dictate of Kruphix
4 Cyclonic Rift
4 Staff of the Mind Magus
2 Negate
4 Dissolve
3 Blustersquall
2 AEtherize
2 Syncopate
4 Divination


22 Island
3 Encroaching Wastes

Sideboard:

1 Ratchet Bomb
2 Negate
1 AEtherize
3 Dispel
2 AEtherling
3 Gainsay
3 Pithing Needle



Die Ersatzbank

Ein Sideboard nur mit blauen Karten zu füllen, ist gar nicht so einfach, ganz besonders, wenn die eigene Taktik dermaßen speziell ist. Sicher dabei sind wohl:

Pithing Needle (Mutavault, diverse Planeswalker)
Ætherling (falls ein Spiel mal schneller beendet werden muss, zum Beispiel wenn Game 1 verloren ging)
Dispel (als hocheffektiver Gegenzauber für sehr spezielle Fälle)

Die anderen Plätze habe ich derzeit mehr oder weniger zufällig verteilt, etwa an die vierte Ratchet Bomb, weitere Ætherize und Negate sowie Gainsay.


Die Mannschaftstaktik

Wie angedeutet, entwickeln wir unser Spiel über Dictate of Kruphix. Die Extrakarten nutzen wir zunächst, um wirklich jeden Zug ein Land legen zu können, und dann zur Stabilisierung unserer Defensive. Zu dieser gehört in erster Linie Staff of the Mind Magus, der offensichtlich ebenfalls möglichst zeitig ins Spiel gelangen sollte, da jeder Zug zusätzliche Lebenspunkte bringt. Ansonsten halten unsere ganze Rückrufzauber und Konter die ernsthaften Angriffsbemühungen in Schach. Über kurz oder lang aktivieren wir das Elixier und dann noch mal und spätestens dann fällt der Gegner im Normalfall in sich zusammen. Beim Spielen selbst gibt es sehr oft schwierige Entscheidungen zu treffen, insbesondere wenn sich eine dieser zwei Fragen stellt:

1)

Hexerei oder Gegenzauber? Hexerei soll hier für alles stehen, was zwingend im eigenen Zug gespielt werden muss, also nicht nur Divination, sondern auch Ratchet Bomb oder Staff of the Mind Magus. Spielt man etwas davon, muss man bei weniger als sechs Mana auf Dissolve und somit auf seine beste Allzweckwaffe für mindestens einen Zug verzichten. Wann das angebracht ist, ist eine unheimlich komplexe Frage, bei der man letztendlich den Nutzen der gespielten Karte mit der potenziellen Gefahr einer möglichen Bedrohung abwägen muss. Gerade Letzteres ist aber sehr oft schwer zu beziffern und erfordert außerdem eine gewisse Kenntnis der Karten, die aus dem gegnerischen Haufen herausspringen können.

2)

Aufräumen oder Gegenzauber? Ganz ähnlich verhält es sich mit Cyclonic Rift und Compagnie und der Entscheidung, wann genau die zu spielen sind. Aufgrund ihrer hohen Kosten kann man es sich sehr lange nicht erlauben, sie im selben Zug zusammen mit einem möglichen Gegenzauber anzubringen. Daher empfehle ich hier die pauschale Regel, so spät wie möglich zu overloaden, da jeder gesparte Zug am Ende mehr Zeit bringt.


Im Detail

Wenn ihr wisst, dass ihr einen Stab spielen wollt, macht das bitte unbedingt vor dem Spielen einer Insel, da ihr ansonsten einen Lebenspunkt verschenkt.
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Dictate of Kruphix in der eigenen Upkeep ist fast genauso stark wie am Ende des gegnerischen Zugs, weil man auch direkt die Zusatzkarte bekommt.
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Ohne Elixir of Immortality können wir nicht gewinnen. Deshalb überlegt immer, was dem Ding theoretisch passieren könnte, und arbeitet aktiv dagegen. Die meisten Decks können nur entweder den ungespielten Spruch angreifen (Discard, Gegenzauber) oder das Artefakt, wenn es einmal im Spiel ist (Abrupt Decay, Detention Sphere). Je nachdem muss man zwingend absichern. Also es zum Beispiel so lange auf der Hand behalten, bis man es sowieso direkt aktivieren kann (gegen die Artefaktvernichter) oder eben direkt ausspielen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
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Passt im späteren Spiel auch immer genau auf, wie viele Karten ihr noch in der Bibliothek habt, falls sich das Elixier mal in den letzten Karten versteckt. Meist schafft man es, zwischen Dictate und Divination recht passend die komplette Bibliothek zu ziehen, ohne daran zu sterben. Aber falls man beispielsweise gerade noch neun Karten zum Ende des gegnerischen Zugs in der Bibliothek hat, sollte man sich vielleicht doch das vierte Dictate of Kruphix mal für einen Zug verkneifen. Denn statt vier plus fünf Karten würde man fünf plus fünf ziehen und plötzlich sollte das Elixier besser nicht ganz unten liegen. Hellsicht von Dissolve hilft übrigens auch ganz gut, diesen Super-GAU zu verhindern.
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In allergrößter Not kann man auch mal die Ratchet Bomb für drei zünden, um in die kartenziehtechnische Steinzeit zurückzukehren und den Decktod zu verhindern.


Mögliche Ergänzungen

Die einzige teure Karte, die ich wirklich gerne spielen würde, ist Mutavault. Wer hätte das gedacht …? Die bessere Antwort auf gegnerische Mutavaults und gerade zu Beginn des Spiels eine nette Bedrohung für feindliche Planeswalker.


Davon abgesehen könnte man vielleicht den einen oder anderen Jace, Architect of Thought verkraften. Essenziell ist der aber nicht.


Erwartungen

Wie auch bei Fußball-WM dürfte man mit diesem Deck aus lauter Unbekannten für die eine oder andere (auch größere) Überraschung – selbst gegen die Großen der Szene – gut sein. Ob es am Ende aber wirklich zum Titel reicht, wird sich noch zeigen müssen.

In diesem Sinne, möge der Beste gewinnen!
Der MiDi