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Artikel / Berichte

Die drei wichtigsten Aspekte des Drafts
Magic Karten Beobachtungsliste 
Henning Kurella
30.08.2013
Der Titel ist vielleicht ein wenig untertrieben, da ich euch heute weit mehr als nur ein paar Hinweise ausbreiten möchte …
Das heutige Thema ist eine Starthilfe für eure ersten Drafts, doch des Weiteren möchte ich euch ein paar Tipps mit auf den Weg geben, die euch vielleicht auch in kommenden Formaten zu einem besseren Limited-Spieler machen werden. Es ist nie leicht, sich in einem frischen Set zu Recht zu finden. Darum werde ich immer wieder von Lesern oder wie auch letztens direkt auf einem FNM gefragt, nach welchen Kriterien ich Karten aussuche und wie ich mein Deck baue. Das alles möchte ich euch heute im Groben näherbringen.

Wer noch wackelig mit den Rahmenbedingungen eines Drafts ist, dem empfehle ich „Draften für Einsteiger“ von Torben Thies. Außerdem hatte ich einen langen Artikel über das einfachere Sealed-Format geschrieben, welchen ich euch für den Einstieg ins Draften ebenfalls empfehlen kann. Sealed ist ja im Grunde wie ein Draft-Turnier, nur dass man hier keinen Einfluss auf den eigenen Kartenpool hat. Entsprechend kann man aus dem Artikel schon einige wertvolle Tipps über Bomben, Manafixing, Manakurven oder Sideboards mitnehmen. Wir wollen uns nun aber gerade auf den Draft, also die Auswahl der eigenen Karten, konzentrieren.


Da auf jeden Spieler recht genau drei Rares oder Mythic Rares fallen, ist es nicht sinnvoll, sich auf diese Karten zu verlassen. Oft sind Rares Bomben (Archangel of Thune, Mirko Vosk, Mind Drinker), Premiumremoval (erstklassige Kreaturenzerstörer oder noch besser, zum Beispiel Dreadbore, Mizzium Mortars et cetera) oder nahezu unwichtige Kombinationskarten (Burning Earth, Pyromancer's Gauntlet). Man kann nicht davon ausgehen, dass man bestimmte Rares bekommt, da diese entweder extrem früh oder gar nicht genommen werden und überhaupt gar nicht immer aufgemacht werden. Auch wenn Rares oft das Ende der Manakurve besetzen, sind diese in der allgemeinen Betrachtung eines Sets eher unwichtig. Wichtiger sind die Commons und Uncommons, von denen man im Schnitt pro Kopf etwa 30 beziehungsweise neun einsammeln kann. Synergien zwischen den Karten unterscheiden ein mittelmäßiges Limited-Deck von einem wahnsinnig Gutem. Um zu erklären, wie man wertvolle Synergien erkennt und woran man diese messen kann, muss ich ein wenig ausholen.

Ich hatte in meinem allerersten Artikel bereits auf die Grundpfeiler von Magic verwiesen: Tempo und Kartenvorteil. Tempo ist alles, was ein gutes Aggrodeck ausmacht. Ziel eines Tempodecks ist, den Gegner zu überrennen, bevor dieser sein Spiel entfalten kann. Der Burning-Tree Emissary ist ein einfaches Beispiel für Tempo, da er hilft die Kartenhand schnell auf das Spielfeld zu bringen. Blur Sliver gibt allen Sliver-Kreaturen Haste, eine der wichtigsten Kreaturenfähigkeiten eines Aggrodecks. Entsprechend sind dies sinnvolle Tempokarten. Oft enden Spiele mit einer leeren Kartenhand, während der besiegte Gegner noch reichlich wertvolle Karten auf der Hand gehabt hätte. „Nächsten Zug hätte ich …“ ist alles, was man von ihm hören möchte, wenn man sich noch fragt, ob das eigene Aggrodeck gut ist.


Kartenvorteil ist die andere Achse, auf der man punkten kann. Während das Tempodeck immer ein bisschen schneller sein möchte als der Gegner, will das Kartenvorteildeck (sprich Kontrolldeck) immer einen Tick langsamer sein und ein, zwei Karten mehr ziehen dürfen. Paradebeispiel für den Kartenvorteil eines Kontrolldecks ist der neue Braingeyser: Sphinx's Revelation. Aber auch Lingering Souls sind ein schönes Beispiel, da hier eine einzige Karte bis zu vier Spirit-Tokens erschaffen kann. Diese kaufen dem eigenen Deck Zeit, um Zauber wie Opportunity zu zaubern. Aber auch sämtliche Karten mit Undying können Kartenvorteil erzeugen, da diese zweimal abgeschafft (und bestenfalls abgetauscht) werden müssen. Tempokarten die Kartenvorteil generieren, sind wirklich selten und zweifelsohne mächtig. Zum Beispiel ist Voice of Resurgence eine Karte, die Druck und Kartenvorteil generiert. Entsprechend wertvoll ist die Karte geworden.

Ein Mittelstreckendeck kann gegen ein Kontrolldeck das Aggrodeck sein. Teilweise kommen Tempokarten aus dem Sideboard ins Deck (zum Beispiel Geist of Saint Traft), oft werden aber auch Kreaturen die Kartenvorteil generieren verwendet, um gegen den Kartenvorteil des Kontrolldecks anzugehen (zum Beispiel Geralf's Messenger). Gegen Aggrodecks werden Mittelstreckendecks zu Kontrolldecks und bei gleichzeitigem Senken der Manakurve ist darauf zu achten, dass nach wie vor Kartenvorteil generiert werden kann, damit das Mittelstreckendeck irgendwann aus der Gefahrenzone kommt und selbst zum Angriff übergehen kann. Ergo ist ein Mittelstreckendeck mal das Kontrolldeck und mal das Aggrodeck.

Grundsatz 1:
Entscheide dich zwischen Aggro oder Kontrolle!


Wenn man die ersten Karten in einem Draft eingesammelt hat, wenn einem vage klar wird, welche Farben offen sind und in welche Farben man gehen möchte, sollte man sich dringend entscheiden, ob das eigene Deck ein Aggrodeck oder ein Kontrolldeck wird. Wer diesen Punkt verpasst, wird unweigerlich einige Spiele an dem Abend verlieren.

Mit dem Wissen ausgerüstet seid ihr schon einmal gut bei einem Draft dabei. Der zweitwichtigste Punkt ist, Synergien zu erkennen. Karten sind alleine betrachtet (im Vakuum, wie man so schön sagt) oft schon recht gut zu klassifizieren. Die Synergien der Karten im aktuellen Set können aber mitunter so gewaltig stark sein, dass eine vermeintlich schwache Karte im Format auf einmal eine wichtige Schlüsselkarte für ein Deck wird. Ein gutes Beispiel ist Blood Bairn, welcher alleine betrachtet eher durchschnittlich gut ist. Freiwillig möchte man selten seine eigenen Karten opfern. Sicher ergeben sich daraus einige interessante Situationen, aber eine außergewöhnlich gute Karte ist es auf den ersten Blick nicht. Act of Treason oder Tenacious Dead machen aus Blood Bairn jedoch eine wahnsinnig starke Waffe!


Dies ist auch der Grund, warum man sich das Set vorher anschauen sollte. Wer Erfahrung in Magic hat, erkennt solche Synergien zur Not aber auch noch beim Draften. Tenacious Dead ist sicherlich eine Karte, die man so oder so in seinem zumindest teilweise schwarzen Kontrolldeck haben möchte. Geht daraufhin Blood Bairn oder Vampire Warlord herum, erkennt der erfahrene Spieler sofort die Synergie. Wer noch recht neu in Magic ist, wird hier aber Kombinationen unter- oder überschätzen.

Oft wird man in Versuchung geraten, mehrere Synergien nutzen zu wollen, aber meist ist es sinnvoller, bei einer zu bleiben. In unserem Beispiel ist das Deck mit Act of Treason, Opfereffekten und etwa Dragon Egg schon ein richtig krasses Deck. Es reicht, sich ein Thema zu suchen, aber das greift man besser voll und ganz auf! Nach der Entscheidung, ob man ein Aggro- oder Kontrolldeck spielen möchte, der zweitwichtigste Grundsatz in einem Draft.

Grundsatz 2:
Erkenne Synergien und Drafte ein Deck mit einem Thema.


Nachdem ich nun einige Absätze sehr allgemeine Aussagen getroffen habe, kommen wir schließlich zu den Entscheidungen, welche Karten man früh aus den Boostern nehmen möchte (im Draft-Jargon „Picks“ genannt). Späte Picks sind oft relativ einfach. Im dritten Booster schleift man meist nur noch ein wenig an der Manakurve oder sammelt noch eine mittelgute Karte ein, um eine eher schlechte nicht spielen zu müssen. Im zweiten Booster hat man sein Thema gefunden und bastelt fleißig an den Synergien. Vielleicht findet man noch ein Smelt fürs Sideboard oder dergleichen. Keine große Kunst. Wirklich spannend sind die Entscheidungen über die ersten Picks. Dazu hatte Torben in seinem Artikel „Draften für Einsteiger“ schon die zwei wichtigsten Aspekte genannt. „B-R-E-A-D“ und „Signale“ sind hier die Stichpunkte, nach denen man sich in erster Linie richten möchte. Wenn ihr mit den Begriffen nichts anfangen könnt, dann empfehle ich euch, doch noch mal in den Artikel zu schauen. Falls ihr schon Bescheid wisst oder schon am Anfang dieses Artikels den Umweg über Torbens Text genommen habt, seid ihr ja nun bestens informiert.

Meine Anmerkungen zu der „B-R-E-A-D“ Regel sind einfach. Bomben erkennt man daran, dass sie in kürzester Zeit das Spiel gewinnen, wenn sie nicht neutralisiert oder abgeschafft werden. Jace, Memory Adept ist in M14 aktuell sicherlich die härteste Bombe und dabei auch noch superschwer abzuschaffen. Scavenging Ooze ist sicherlich auch eine sehr starke Karte, aber schon an der Untergrenze, um als Bombe zu gelten, und kann man getrost auch mal weiter geben, wenn einen die bessere Karte für das aktuelle Deck aus dem Booster heraus anlächelt. Ich finde es schon schwierig, das Ooze über ein Doom Blade im ersten Booster als ersten Pick zu nehmen. Also lasst euch nicht täuschen! Nicht jede Rare oder Mythic ist die ultimative Bombe. Removal (Kreaturenzerstörung) ist sehr wichtig!


Darum steht das R in „B-R-E-A-D“ ja auch schon an zweiter Stelle. Removal ist aber nicht in jedem Fall über Evasion mitzunehmen. Etwas Ähnliches hatten wir ja nun schon bei den Bomben diskutiert und Torben hatte das Removal auch schon in mehrere Klassen eingeteilt. Ebenso sollte man sich fragen, ob es die dritte Claustrophobia überhaupt ins Deck schafft. Vielleicht ist Wall of Frost bereits die bessere Karte fürs eigene Deck? Bevor man blind ein Kreaturenvernichter über eine wertvolle Kreatur nimmt, sollte man sich dringend noch einmal durch den Kopf gehen lassen, welche Bestimmung das eigene Deck haben soll. Ist mein Removal in einem Aggro- oder Kontrolldeck sinnvoll? Stütze ich meine Synergien (verbessere zum Beispiel meinen Blightcaster mit Claustrophobia) oder lasse ich eine richtig gute Karte für mein Deck liegen, wenn ich Claustrophobia nehme (etwa Opportunity)?

Der Rest der „B-R-E-A-D“-Faustregel ist wie Torben geschrieben hatte dann eigentlich selbsterklärend. Denkt an das Ziel eures Decks! Aber wann setze ich mich auf ein Ziel fest? Öffne ich den ersten Booster und finde ich Jace, ist es dann hundertprozentig klar, dass ich ein Kontrolldeck spielen möchte? Wann entscheide ich mich? Auf diese Frage gibt es keine klare Antwort, denn dies ist wahrscheinlich der schwierigste Aspekt eines Drafts. Die Entscheidung hängt immer von den Karten ab, die man bisher eingesammelt hat. Und nebenbei darf man auch nicht vergessen, welche Karten man nicht mitgenommen hat! Wie Torben schon schrieb, ist das Lesen und das Senden beziehungsweise Verstehen von Signalen extrem wichtig! Geht an mir viel Grün vorbei und ich habe schwere Entscheidungen, welche Karten ich nun mitnehmen möchte, kann ich davon ausgehen, dass hinter mir jemand die grünen Karten aufsammelt, die ich weitergebe. Auf dem Rückweg im zweiten Booster kann ich davon ausgehen, dass er mir die beste grüne Karte vor der Nase wegschnappt und ich mit dem Zweitbesten klarkommen muss. Und wenn es nicht mal eine zweitbeste, grüne Karte gibt? Tja, dann muss ich mich – wenn nicht schon geschehen – nach einer Nebenfarbe umsehen.

Wie erkenne ich, dass eine Farbe oder ein Deckthema offen ist? Im Block Return to Ravnica ging es ja hauptsächlich um zweifarbige Karten, die Gilden. In Modern Masters gibt es mindestens zehn starke Decktypen. Von Riesen bis hin zu Feen waren einige Themen spielbar und mit vielen Synergien versehen. Wenn man also draftet, sollte man sich vielleicht bei einigen Sets von der Bedeutung einer Farbe lösen und nur über Deckthemen nachdenken. Wenn man selbst schon vier, fünf, sechs Karten eingesammelt hat, sind die Booster entsprechend oft weitergewandert. Wenn man also ab dem sechsten Pick eine oder sogar mehrere Schlüsselkarten findet, die für einen bestimmten Decktyp sehr interessant sind, dann kann man davon ausgehen, dass dieser Decktyp offen ist. Findet man Angelic Accord in Pick 8, sollte man noch mal genau hinschauen, was man bisher gedraftet hat.

Grundsatz 3:
Achte auf „B-R-E-A-D“ und Signale!


Damit haben wir also die drei wichtigsten Aspekte eines Drafts beisammen. Aufgeführt habe ich sie in logischer Reihenfolge und nach Wichtigkeit gestaffelt, aber es geht natürlich mit dem dritten Grundsatz am Drafttisch los. Man pickt nach der „B-R-E-A-D“-Regel (Grundsatz 3) und entscheidet sich zügig entsprechend der gesendeten und empfangenen Signale für einen Decktyp (Grundsatz 1) und ein Deckthema (Grundsatz 2). Auch danach geht es immer mit dem Hintergedanken an „B-R-E-A-D“ weiter, man beachtet nun aber Manakurve, Deckthema, Decktyp und Sideboardoptionen.

Hui, das war, glaube ich, bisher der längste Artikel von mir. Ich freue mich über Kommentare! Folgt mir bei Facebook oder Twitter!
Henning